Theoretische Astroteilchenphysik

Kinetische Modellierung von Supernovaüberresten

Das Universum ist von energetischen Teilchen - Elektronen und ionisierten Atomen - erfüllt, die es mit Geschwindigkeiten sehr nahe der Lichtgeschwindigkeit durchlaufen. Die Herkunft dieser als Kosmische Strahlung bekannten Teilchen ist eines der fundamentalen und weiterhin ungelösten Probleme der modernen Astrophysik.

Dieses sog. Plasma aus geladenen Teilchen ist ein sehr dünnes Medium: Jedes dieser Teilchen trägt eine sehr hohe Energie, ihre Gesamtzahl jedoch ist klein. Pro Volumenelement beinhaltet die Kosmische Strahlung genauso viel Energie wie das interstellare Gas, das galaktische Magnetfeld und das gesamte Licht der Galaxie. Die Prozesse, die die energetische und räumliche Verteilung der Kosmischen Strahlung festlegen, sind grundlegend verschieden von denen, die gewöhnliche Gase auf der Erde determinieren, da sie beinahe ausschließlich durch elektrische und magnetische Feldkonstellationen bestimmt sind. Die meisten terrestrischen Gase sind thermisch dominiert, d.h. die Gesamtenergie des Gases ist recht gleichmäßig auf die Atome und Moleküle verteilt. Im Gegensatz dazu ist die Materieverteilung im Universum häufig fern von diesem Gleichgewichtszustand. Die Natur jedoch versieht einige wenige Teilchen interstellarer und intergalaktischer Plasmen mit extrem viel Energie. Es findet eine durch die Wechselwirkung von Teilchen mit elektromagnetischen Feldern bedingte, fundamentale Selbstorganisation des Plasmas statt, die eine Einteilung letzteres in drei Komponenten nahe legt: ein kaltes bzw. warmes Gas, das den wesentlichen Teil der Masse in sich vereint, Kosmische Strahlen mit über einen sehr großen Bereich verteilten Energien, sowie ein turbulentes Magnetfeld, das die beiden erstgenannten Komponenten miteinander koppelt. Warum aber erzeugt die Natur Kosmische Strahlung? Was ist das Schicksal des turbulenten Magnetfeldes? Generieren Wechselwirkungen der Kosmischen Strahlung die großskaligen Magnetfelder, die das Universum durchdringen?

Es scheint, dass effektive Beschleunigung Kosmischer Strahlung in Systemen mit mehr oder weniger schnellen Materieausflüssen vorkommt, in denen ein Teil der kinetischen Energie der Fließbewegung auf die Kosmische Strahlung übertragen wird. Eine dieser Szenarien sind schalenförmige Supernovaüberreste (engl.: Supernova Remnants (SNR)), in denen das Auftreffen der Materie eines explodierenden Sterns auf das umgebende Gas eine Schockfront produzieren kann. Die Abbildung zeigt eine optische Aufnahme des Krebsnebels, der das Produkt einer Supernovaexplosion im Jahr 1054 n.Chr. ist. Aufgrund der Ausflussenergie dieser Objekte und der Supernovarate wird seit langem angenommen, dass Supernovaüberreste Produktionsstätten der galaktischen Kosmischen Strahlung, einem Teil der gesamten Kosmischen Strahlung, ist. Die Frage nach der Beschleunigung Kosmischer Strahlung in Supernovaüberresten ist eng gekoppelt mit der nach der Erzeugung, Wechselwirkung und Dämpfung turbulenter Magnetfelder in nicht-Gleichgewichts-Plasmen. Die physikalischen Vorgänge in gekoppelten Systemen von Turbulenz, energetischen Teilchen und kollidierenden Plasmaströmen können am besten in jungen Supernovaüberresten studiert werden, da die Bebachtung sowohl von Röntgen-, als auch von hochenergetischer γ-Strahlung sehr effektive Teilchenbeschleunigung sowie die Existenz sehr starker, turbulenter Magnetfelder nahelegt.

In der Arbeitsgruppe betreiben wir sehr intensive numerische Simulationen, in denen wir den durch elektrische und magnetische Felder bestimmten Trajektorien einzelner Teilchen folgen. Direkt vor den Schockfronten von Supernovaüberresten erwartet man die instabile Situation der Driftbewegung Kosmischer Strahlung relativ zum ionisierten interstellaren Medium. Der Film links zeigt Simulationsergebnisse dieses Szenarios: Der obere Teil stellt das turbulente Magnetfeld dar, wärend der untere Teil die Dichte des interstellaren Mediums beschreibt. Anfangs ruht das interstellare Gas und die Kosmische Strahlung driftet nach links. Aufällig ist, dass nach einiger Zeit sowohl das magnetische Feld als auch das interstellare Medium ebenfalls zu driften scheinen. Am Ende existiert keine Relativbewegung zwischen der Kosmischen Strahlung und dem interstellaren Medium mehr und das Magnetfeld ist in einen stationären Zustand übergegangen. Dieser Sättigungsprozeß kann nur in kinetischen Simulationen untersucht werden, wie sie in der Arbeitsgruppe durchgeführt werden.